Jahresbericht 2022: Notfallkredite auf das Mindestmaß beschränken - finanzielle Handlungsspielräume für künftige Herausforderungen sichern
COVID-19-Maßnahmen: Verfassungsverstoß verhindern
Bei unterschiedlichen Maßnahmen fehlt nach Erkenntnissen des LRH der verfassungsrechtlich gebotene Veranlassungszusammenhang zur Pandemie. Ohne diese Zweckbindung zu beachten, finanzierte das Land aus dem COVID-19-Sondervermögen Vorhaben, obwohl für deren Durchführung bereits vor Pandemiebeginn Mittel bereitstanden, wie z. B. für den Breitbandausbau. Zudem förderte es Maßnahmen, die zur Pandemiebekämpfung nicht erforderlich waren. Hierzu gehören der Bau von Radwegen und die Förderung nicht-öffentlicher Ladeinfrastrukturen.
Nach Auffassung des LRH hätte das Land zudem die seit Beginn der Pandemie gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse für eine zielgenauere und bedarfsgerechte Ausgestaltung der Maßnahmen einsetzen müssen. Hier zeigten sich jedoch Mängel. So profitierten von den Notfallkrediten des Landes Unternehmen aus Branchen, die in der Krise Umsatzzuwächse verzeichneten, wie z. B. die Baubranche. Darüber hinaus stockte das Land die För- derung ohne Bedarfsanalyse allein aufgrund der hohen Nachfrage von 300 Mio. € auf 800 Mio. € auf.
Der LRH erwartet eine höhere Sorgfalt und Zielgenauigkeit, wenn Maßnahmen aus dem Sondervermögen finanziert werden sollen.
„Das ist kein Selbstzweck, sondern verfassungsrechtliche Vorgabe und Gebot der finanziellen Nachhaltigkeit, gerade angesichts neuer Krisen und den daraus folgenden finanziellen Anforderungen“, betonte Dr. von Klaeden.
Verwaltungsdigitalisierung: Zielerreichung gefährdet
In einem zweiten Schwerpunkt betrachtet der LRH den Fortschritt der Verwaltungsdigitalisierung in Niedersachsen. „Wir prüfen hier besonders intensiv und zeitnah. Unser Ziel ist, mit unseren Feststellungen aktuelle Impulse zu geben und damit unseren Beitrag zu leisten“, erklärte die Präsidentin.
Trotz punktueller Verbesserungen gegenüber früheren Feststellungen sind die jüngsten Erkenntnisse des LRH, die u. a. das Programm „Digitale Verwaltung in Niedersachsen“ betreffen, ernüchternd: weiterhin verfügt die Landesregierung über keine verbindliche IT-Architektur, verfolgt nicht konsequent die IT-Konsolidierung und verzichtet auf notwendige Organisationsveränderungen und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Auch die rechtzeitige Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes zum 31.12.2022 wird nicht mehr gelingen können, so Dr. von Klaeden.
Themenvielfalt des Jahresberichts
Die Prüfungsbandbreite des LRH spiegelt sich in der Themenvielfalt weiterer Einzelbeiträge wider:
Personalhaushalt
Der LRH stellte fest, dass es sich bei der vom Land deklarierten gezielten Einsparmaßnahme im Personalbereich durch Strei- chung von 50 % des nicht ausgeschöpften Beschäftigungsvolumens um keine echte Einsparmaßnahme handelt, da die entspre- chenden Vollzeiteinheiten tatsächlich nicht beansprucht werden. Die Streichung schränkt also lediglich potenzielle Handlungsspielräume der Ressorts ein.
Lohnsteuer-Außenprüfung
Mängel zeigten sich bei der Lohnsteuer-Außenprüfung: Einnahmeausfälle in Millionenhöhe entstanden, weil die Lohnsteuer-Außenprüfung entweder kein Kontrollmaterial für die Finanzämter fertigte oder die Finanzämter entsprechende Feststellungen nicht auswerteten.
Rechtsmedizinische Institute
Obwohl das Land bereits im Jahr 2003 erstmalig eine Konzentration seiner beiden universitären rechtmedizinischen Einrichtungen an der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universitätsmedizin Göttingen initiierte, ist eine Zusammenführung seit fast 20 Jahren nicht umgesetzt. Synergieeffekte bleiben ungenutzt. Beide Einrichtungen verzeichneten Defizite in ihren jeweiligen Leistungsbereichen. Seit dem Doppelhaushalt 2017/2018 muss das Land stattdessen die Grundfinanzierung beider Universitäten um rd. 1,2 Mio. € erhöhen.
Wohnraumförderung
In Niedersachsen sank der Bestand an Mietwohnungen mit Belegungsbindung seit dem Jahr 2012 bis zum Jahr 2020 um 38 %. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Nach den Feststellungen des LRH ist bereits heute absehbar, dass das Land sein Ziel – bis zum Jahr 2030 insgesamt 40.000 bezahlbare Wohnungen neu zu schaffen – nicht wird erreichen können. Erschwerend kommt hinzu, dass die Finanzierung der Förderungen ab dem Jahr 2026 noch offen ist.
Schloss Marienburg
Das Land setzte sich das kulturpolitische Ziel, Schloss Marienburg als Museum dauerhaft für die Öffentlichkeit zu erhalten. In der Folge kam es zu einer außergewöhnlichen Vollfinanzierung der Fördermaßnahme aus öffentlichen Mitteln. Darüber hinaus ist die Finanzierung des künftigen Betriebsmodells des Schlosses noch nicht gesichert. Dies könnte eine weitere finanzielle Unterstützung durch das Land erforderlich machen.
Neue Rubriken im Jahresbericht
Auch zwei neue Rubriken finden sich im Jahresbericht: Während der LRH in der Rubrik „Nachgehakt“ anhand ausgewählter Beiträge aufzeigt, was aus seinen Feststellungen und Empfehlungen vergangener Jahre geworden ist, stellt er in „Jahresbericht kompakt“ die wesentlichen Inhalte seiner diesjährigen Bemerkungen und der Denkschrift in Kurzform dar.