Gemeinsame Erklärung der Landesrechnungshöfe zur Änderung des Grundgesetzes
Bundestag und Bundesrat haben weitreichende Änderungen des Grundgesetzes beschlossen. Sie räumen Bund und Ländern deutlich erweiterte Möglichkeiten zur Aufnahme von Schulden ein:
Die Landesrechnungshöfe weisen ausdrücklich darauf hin, dass Kernaufgaben des Staates wie die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit und die Gewährleistung einer leistungsfähigen öffentlichen Infrastruktur grundsätzlich aus den laufenden Einnahmen und nicht über Schulden finanziert werden sollten.
1 Änderung der Artikel 109 Abs. 3 und Artikel 115 Abs. 2 Grundgesetz.2 Einfügung Artikel 143h Grundgesetz.
- Der Bund darf künftig oberhalb einer Grenze von 1% des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) Kredite für die Verteidigungsfähigkeit und andere sicherheitspolitische Bereiche ohne Beschränkung durch die Schuldenregel aufnehmen.1
- Zusätzlich darf der Bund ein vollständig kreditfinanziertes Sondervermögen in Höhe von bis zu 500 Mrd. Euro errichten, um hieraus Investitionen in die Infrastruktur und Investiti-onen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 zu finanzieren. Die Kredite sind eben-falls von der Schuldenregel ausgenommen. Aus dem Sondervermögen stehen den Län-dern 100 Mrd. Euro für Investitionen in deren Infrastruktur zur Verfügung.2
- Ferner wird der Ländergesamtheit die Möglichkeit eingeräumt, sich mit 0,35% des nominalen BIP jährlich strukturell zu verschulden.
Die Landesrechnungshöfe weisen ausdrücklich darauf hin, dass Kernaufgaben des Staates wie die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit und die Gewährleistung einer leistungsfähigen öffentlichen Infrastruktur grundsätzlich aus den laufenden Einnahmen und nicht über Schulden finanziert werden sollten.
Umso wichtiger ist es aus ihrer Sicht, jetzt für einen wirksamen Einsatz der kreditfinanzierten Ausgaben zu sorgen. Nur so können die auch künftige Generationen erheblich belastenden Zinslasten und die damit einhergehenden Einschränkungen künftiger Gestaltungsmöglichkeiten überhaupt gerechtfertigt werden.
Die Landesrechnungshöfe halten jetzt für zwingend erforderlich:
- Die neuen Kreditmöglichkeiten dürfen die immer drängenderen strukturellen Konsolidierungserfordernisse in den Haushalten nicht untergraben. Neben dem Ausschöpfen aller Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung der Verwaltung muss das Setzen von Prioritäten und Posterioritäten das haushaltspolitische Handeln leiten.
- Die zusätzlich eingeräumten Verschuldungsmöglichkeiten dürfen nur für nachgewiesen zusätzliche Maßnahmen genutzt werden, die über den Status quo hinaus gehen. Einen Substitutionseffekt gegenüber normalen Haushaltsmitteln darf es nicht geben. Dies gilt auch für die 100 Mrd. Euro, die aus dem neuen Sondervermögen den Ländern für Investitionen in deren Infrastruktur zufließen.
- Die neuen Kreditmöglichkeiten dürfen weder direkt noch indirekt für konsumtive Zwecke genutzt werden. Investitionen müssen den Vorrang haben.
- Jeder Euro muss nachgewiesene Wirksamkeit in den umfassten Bereichen erzielen. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, der Effektivität und Effizienz des Mitteleinsatzes darf im „Kreditüberfluss“ nicht auf der Strecke bleiben.
- Planungs-, Genehmigungs- und Beschaffungsprozesse müssen beschleunigt und von verzichtbaren Vorgaben befreit werden. Überflüssiger bürokratischer Ballast muss abgeworfen werden.
- Das neue Sondervermögen muss mit einer Tilgung in einem angemessenen Zeitraum verbunden werden. Nur so können künftige Generationen von der Ewigkeitslast dauerhafter Zinszahlungen befreit werden.
- Bund und Länder müssen weiterhin gemeinsam für die Einhaltung der europäischen Fiskalregeln Sorge tragen. Deutschland darf nicht zum schlechten Vorbild für Europa werden.
Jetzt kommt es entscheidend darauf an, die vorgenannten Erfordernisse in den bundes- und landesgesetzlichen Regelungen zur Umsetzung der Grundgesetzänderungen zu verankern. Die Landesrechnungshöfe werden sich hier einbringen.
Deutschland muss nach Überzeugung der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe zu finanzieller und wirtschaftlicher Stärke zurückfinden. Dies gelingt nur, wenn die jetzt eröffneten Verschuldungsmöglichkeiten sinn- und planvoll eingesetzt werden.
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